Ich wollte niemals viel Raum einnehmen und habe mich deshalb so klein wie möglich gemacht. Das ist bei einer Körpergröße von 1,75 m gar nicht so einfach, aber versuchen wollte ich es dennoch. Ich habe mich angepasst, mich verformen lassen, oftmals in den Schatten gestellt anstatt ihn zu überspringen, meine Worte fünf Mal überdacht bevor sie mir über die Lippen kamen. Ich wollte niemanden verletzten und obwohl ich die dramatische See als aufregend empfinde, sehne ich mich immer nach tiefer Harmonie.

Cutting off your edges won’t make you fit places, it will only make you bleed.

Dieses Verlangen nach Harmonie ist ein doppelschneidiges Schwert. Man möchte Teil von etwas werden, so sehr, dass es fast weh tut, und hat man das Ziel endlich erreicht, erkennt man sich selbst im Spiegel nicht mehr. Ich habe es zu oft gesehen - die Masken, die Menschen sich aufzusetzen, um Erfolg zu finden, um zu Gruppen zu gehören, die ihnen auf dem Weg helfen - und ich habe gesehen, was hinter diesen Masken liegt. Ich habe die Angst gesehen nicht gemocht zu werden, die Verzweiflung alleine zu sein. Ich habe sie selbst mal getragen, aber die Bürde ist mir zu schwer. Meine Schultern sind bereits beladen mit den Sorgen dieser Welt, da kann ich nicht noch dafür sorgen, ein doppeltes Gesicht zu wahren. So entschloss ich mich, loszulassen. Ich verabschiedete mich von allem, was nicht mit Leichtigkeit verbunden war. Wie bei einem Seil, an dem man zu lange zerrt, fühlte ich die Wunden erst dann, als ich das Seil los ließ. Erst dann sah ich die Verletzungen die mir zugefügt wurden, und die Verletzungen, die ich anderen zufügte. Ich begann zu verstehen, dass auch ich Menschen verletzt habe, als mein Herz verwirrt war. Das ich zu grob, zu nachlässig, zu gereizt war und manchmal nicht über meine eigene Nasenspitze blicken konnte. Diese Erkenntnis ist hart, und ich glaube, dass dies ein Grund ist, wieso viele Menschen sich weigern, ihre Masken jemals abzunehmen - sie müssten Verantwortung für sich übernehmen und sich eingestehen, dass sie Fehler gemacht haben. Doch das Leben ohne diese Barriere vor dem Gesicht und vor dem Herzen ist viel schöner. Die Luft ist reiner, die Sicht weiter, die Welt bunter. Ja, vielleicht ist der Weg zu Anfang etwas einsamer, vielleicht warten Hindernisse auf dich, die du alleine meistern musst, aber während du nach der Realität suchst, nach dem was Echt und Lebendig ist, passiert etwas wundervolles: Du begreifst endlich, was und wer tatsächlich wichtig ist. Du beginnst zu verstehen, dass selbst der größte Herzschmerz einen Grund hatte, um dich den Menschen näher zu bringen, denen du dich ohne Masken zeigen kannst. Du verstehst, dass die Wut, die du in deiner Außenwelt gesehen hast, meistens nur einen Ursprung hatte: Dich selbst. Bis du die Dämonen in deinem Inneren besiegt hast, wirst du versuchen, sie im Außen zu bekämpfen. Das, was du in dir trägst, spiegelt sich überall wieder. Wenn du glaubst, dass die Welt gegen dich ist, bist du selbst wahrscheinlich dein größter Feind. Es ist höchste Zeit, sich zu versöhnen.

Wenn unser Alltag vor allem von Verbissenheit, Konkurrenzdenken, Mangel, Stress und Wut geplagt ist - dann ist unser eigenes Herz voll davon. Auch wenn dir jemand mit diesen Gefühlen begegnet, versuche nicht zu verstehen, sondern begreife, dass diese Gefühle selten gegen dich sind, sondern oftmals gegen sie selbst.
Wir können uns nur darauf konzentrieren, Frieden in uns zu finden, denn wenn das Herz Platz macht, um die Ruhe, Akzeptanz, Dankbarkeit und Freude in sich wachsen zu lassen ... was glaubst du, passiert dann mit dem Umfeld diesen Herzens?

Ich wollte wenig Raum einnehmen und mich so klein wie möglich machen. Jetzt fülle ich den Raum aus, den ich verdiene. Meine Stimme verdient es, gehört zu werden. Mein Herz verdient es, seinen Weg zum Glück zu gehen. Meine Seele verdient es, Erfahrungen zu sammeln und zu wachsen. Am Ende ist es nur noch der Kopf, den man überzeugen muss, Platz zu machen. 

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  1. Wow, das triffts mal wieder auf den Punkt. Gerade nachdem ich meinen Scheiß überwunden glaubte, ertappe ich mich dabei, wieder den gleichen Fehler zu machen. Und reagiere mal wieder entsprechend zynisch. Und verwirrt. Dieser Text hat mir grad den Abend versüßt, danke.

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