Jeder Fotograf, der seine Bildlooks aktiv in Photoshop gestaltet, steht mindestens einmal pro Session vor der Frage: Herbst, Sommer oder Frühling? Und damit ist eins gemeint: Die Farbe der Blätter.

Ich habe mich lange mit der Frage beschäftigt, warum wir für viele Bilder oftmals einen eher uncharmanten spätsommerlichen Look wählen: Ausgedorrtes, gelbes Gras, starke Kontraste, ein gelblicher Schleier am Himmel und manchmal rundet ein leichter Sephialook das Ganze noch ab. Ich habe heraus gefunden, dass dies scheinbar viel mit unseren aktuellen Sehgewohnheiten zu tun hat. Es lässt sich nicht leugnen, dass Sonnenuntergangsbilder einen gewissen Hype in der Pferdefotoszene haben. Das, was man häufig konsumiert, ankert sich schnell im Kopf als eine Art Ideal fest und vielleicht leitet einen das unterbewusst dazu, dies in seinen Fotos umsetzen zu wollen. Mir ging es sehr häufig ziemlich ähnlich.

Aber letztendlich muss man davon ablassen, sich zu sagen, dass man die Farben wählt, die einem gefallen. Damit löst du dich vom Motiv und von deiner individuellen Fotografie und denkst nur über einen persönlichen Geschmack nach. Viel eher sollte man sich damit befassen, welche Farbe für ein Foto von Nutzen ist und welche nicht. Statt “Welche Farbe mag ich?”, sollte die Frage viel eher lauten:

Welche Farbe unterstützt meine Bildaussage?

Wer nun denkt, dass dies die den eigenen Bildstil beeinflussen könnte, den kann ich beruhigen. Jeder entscheidet selbst, welche Bildelemente er als wichtig empfindet und genau so wird der eigene Bildstil sogar noch gekräftigt. Man beginnt, über seine Bildaussage nachzudenken, anstatt einen Look zu wählen, den man unbewusst idealisiert hat.

In den folgenden Beispielen habe ich mir die Mühe gemacht und ein paar meiner Fotos für euch umgefärbt. Bei vielen dieser Varianten werdet ihr sagen “Aber beides sieht doch gut aus!” – ja richtig, aber möglicherweise ist eine dieser Farben für die korrekte Bildaussage einfach nicht nützlich. Ein Foto muss nicht immer nur gut aussehen. Meiner Meinung nach sollte es eigentlich eher selten nur schön sein, denn Schönheit ist für mich wie eine leere, vergängliche Hülle. Es sollte Tiefgang haben und Emotionen wecken, und wie viele andere Elemente in einem Foto, spielt die Farbe dabei auch eine wichtige Rolle. So. Jetzt wollen wir aber gemeinsam in die Farbwelt eintauchen. Spätestens nach diesen konkreten Beispielen und den dazugehörigen Erklärungen wird es bei dir “klick” machen (Upps – Fotografenwitz).

Wir fangen mit dem kleinen, feinen Unterschied an. Links seht ihr das Bild, wie ich es final bearbeitet habe und rechts meine nachträgliche Veränderung, um in diesem Blogeintrag ein paar Fallbeispiele präsentieren zu können. Auch, wenn es sich um einen Sonnenuntergang handelt, habe ich mich dagegen entschieden, einen seichten Gelbton zu verwenden, da er die Bäume im Hintergrund einfach nur langweilig aussehen lässt. Die große, rechte Fläche im Hintergrund ist unwichtig für meine Bildaussage, deshalb möchte ich sie klar vom Pferd absetzen, was durch den Farbton geschieht. Das rechte Motiv unterscheidet sich in seiner Farbigkeit nämlich kaum vom Hintergrund, was dem Foto die Spannung raubt.

Eindeutiger wird es schon bei dem Foto von Franzi und ihrer Stute Scally, das am frühen Morgen entstanden ist. Wie du siehst, geht es auch andersrum: Da die Lichtbegebenheit morgens tatsächlich sehr orangefarbig aber kühl in den Schatten war, habe ich diese Farbigkeit beibehalten, um die ganze Atmosphäre des Morgens zu erhalten. Hätte ich mich hier anders entschieden und versucht, die vielen Rot- und Gelbanteile zu verändern, sähe das Bild im allgemeinen sehr tonlos und schwach aus. Die Emotion geht unten flöten.

Dies ist ein typisches Beispiel für die Frage, ob man das Foto lieber sommerlich (vielleicht sogar frühlingshaft) oder herbstlich gestalten möchte. Ich bin mir sicher, dass der ein oder andere hier denken mag, dass die rechte, warme Variante einen eher anspricht, weil sie im allgemeinen einen positiveren Eindruck vermittelt. Hier räume ich dir gerne etwas Kulanz ein – ein bisschen spielt hier tatsächlich der persönliche Geschmack mit. Da es sich um einen Zuchthengst und seine Präsentation handelt, war es meine Intention ein Foto zu schaffen, dass seinem Namen gerecht wird: Magic on Ice. Sein kühler, aber aufmerksamer Blick wird in der rechten Farbvariante einfach übersehen und es ist plötzlich “nur noch ein weiteres, hübsches Pferdefoto“. Im linken Bild hingegen habe ich die einzelnen Farbtöne der Blätter so gewählt, dass sie von leichter Wärme zu einem sehr kühlen grün verlaufen – der warme Charakter trifft hier auf die Bedeutung des Namens. Zudem kommt die Farbe durch den Warm-Kalt-Kontrast des Fells zum Hintergrund viel deutlicher zur Geltung, als im rechten Bild, in dem es sich eher um eine Ton-in-Ton-Variante handelt.

Auch, wenn das Bild am Nachmittag entstanden ist, habe ich drauf verzichtet, ihm einen generell warmen Gesamtlook zu verpassen. Ich mach es kurz und knapp, da ich mich in dem Fall nur noch wiederholen kann: Ton-in-Ton nimmt dem Bild die Spannung und dem Hengst Perdigon seine feurige Intensität im Fell. Das obere Bild wirkt durch die Farbunterschiede aufregender und dynamischer.

Natürlich gibt es Beispiele, bei denen man sich streiten kann. Einen gewisse Diskussionsgrundlage bieten Farben immer, da sie oftmals von der ästhetischen Wahrnehmung des Betrachters abhängen und nicht auch zuletzt von seinem kalibrierten Monitor. Dennoch finde ich es als Fotograf wichtig, zu zeigen, dass Farben nicht nur gefallen müssen, sondern viel mehr ein fester Bestandteil eines Fotos sind die dazu beitragen, welchen Ausdruck das Foto hat. Oftmals wirkt es auch einfach falsch, wenn einem Mittagsfotos die Atmosphäre eines Sonnenuntergangs aufgedrängt wird.

Ich bin die Letzte, die den mahnenden Finger hoch hält. Im Jahr 2013 waren meine Fotos selbst oftmals gelbstichig, weil ich dachte, dass muss so sein. Dies zeigt wieder, das man sich entwickelt und der Bildlook mit einem. Dennoch möchte ich betonen, dass die Entwicklung immer eine freie Entscheidung ist und auch oftmals von sich selbst blockiert werden kann. Ich bin immer dafür, gewohnte Denkmuster zu durchbrechen, denn nur so kommt man an Zielorte, an denen vielleicht noch keiner war.

Saßt du schon mal sehr lange an der Entscheidung, eine finale Farbe für ein Foto zu wählen? Und damit meine ich nicht die beliebte Call-to-Action-Frage auf Facebook, ob ein Foto in schwarzweiß oder in Farbe besser aussieht (es gibt dazu kein wenn und aber, schon gar kein vielleicht, definitiv kein beides, kein Aber-Ich-mag-Farbe-allgemein-Argument – aber die erkläre ich dir gerne mal persönlich oder in einem neuen Blogpost). Aus welchen Gründen hast du dich dann für eine gewisse Farbe entschieden? Ich bin gespannt, welcher Farbton dir schon mal den Schlaf geraubt hat.

Liebste Grüße,
deine Carina

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  1. Liebe Carina,

    ich weiß nicht, ob nur ich dieses Problem auf meinem Rechner im Safari-Browser habe, aber die meisten Bilder in diesem Blog-Beitrag werden leider nicht geladen und angezeigt. Vielleicht könntest du das nochmal updaten? Ich finde deinen Artikel super interessant und würde das, was du schreibst, gerne an den Bildern nachvollziehen können 🙂

    Liebe Grüße
    Larissa

  2. Hallo Carina!
    Ich habe neulich mit grooßem Interessen diesen Beitrag gelesen und mir ist ganz schön ein Licht aufgegangen. Seitdem sehe ich die Bilder auf Instagram und generell mit ganz anderen Augen, und mir fällt sehr häufig auf, wie gelbstichig doch die Bilder anderer Fotografen häufig sind. Ich habe dann auch versucht das auf meine Bildbearbeitung zu beziehen, und bin mit den Ergebnissen am Computer auch eigentlich sehr zufrieden, mein Problem ist nun mein Handy. Da gefallen mir die Fotos nun gar nicht mehr, sie wirken irgendwie matt und leblos. Hast du vielleicht einen Tip? Liegt das nur an der Kalibrierung? Sehe nur ich das oder alle anderen auch? 😀 Das wäre nämlich schade, wenn Andere die Fotos nicht mit der gleichen Ausdrucksstärke sehen könnten, wie ich.. 🙁
    Danke auf jeden Fall für diesen Post, er war wirklich super interessant und Augen öffnend! 🙂

    1. Hallo Johanna! Freut mich sehr, dass ich dir ein bisschen die Augen für eine sinnverstärkende Farbgebung in Fotos öffnen konnte 🙂
      Handys und Mobilgeräte wie z.B. das iPad haben eine ganz andere Kalibrierung als der Computer. Meine Fotos sehen beispielsweise immer kräftiger in den Farben aus, als ich sie eigentlich erstellt habe. Ein allgemeines Heilmittel gibt es dafür wohl nicht. Wenn ich etwas in Instagram hochlade, passe ich die Farben manchmal in der App noch an. Das sie matt und leblos wirken, habe ich jedoch noch nicht erlebt. Vielleicht kannst du mal jemand anderes fragen, wie er die Fotos sieht oder nachsehen, wie seine Fotos bei dir ankommen. Falls das wirklich ein allgemeines Problem ist, könntest du mal den Support anfragen, ob sie eine Display-Kalibrierung anbieten. 🙂

      Liebe Grüße
      Carina

  3. Hallo,

    ich bin auch der Meinung, dass natürliche Bilder besser aussehen, als die bearbeiteten aus, man spürt die Stimmung authentischer. Mit einer guten Kamera kombiniert mit dem passenden Stativ schafft man tolle Bilder ohne weitere Nachbearbeitung.
    Allerdings tolle Arbeit! Die Fotos sind echt schön geworden.

  4. Ich bin für “Natürlichkeit”. Die vorhandene Licht-/Farbstimmung verstärken, ja, aber willkürlich eine andere Farbe wählen finde ich immer künstlich, gefällt mir gar nicht. (Und ganz besonders nicht der gelb-braune Mode-Look.)

    PS: Den grünen Farbfleck auf der Brust beim linken Bild von dem Hengst finde ich nicht schön.

    1. Hallo Manfred!

      Ich sehe es genau wie du: Ich bin auch dafür, die vorhandene Stimmung durch die Farbgebung zu intensivieren. Dennoch muss man sich manchmal – je nach Zweck und Auftrag – auch davon entfernen.
      Bei dem Fleck vor der Brust darf man tatsächlich mal mit dem individuellen Geschmack argumentieren. Für dich ist es ein Störpunkt in der Bildoptik, für mich ist es ein wunderbares Element um das Farbgleichgewicht im Bild beizubehalten und das Motiv am rechten, unteren Rand einzurahmen. So unterschiedlich sind all unsere Sehgewohnheiten. 🙂
      Danke für dein Kommentar!

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